Landesverband praktizierender Tierärztinnen und Tierärzte Niedersachsen und Bremen e.V.

In Zeiten der Tierarztschwemme, also im letzten Jahrtausend (!), machte es ja möglicherweise Sinn, eifersüchtig jegliche auch nur annähernd an tierärztliche Kompetenz grenzende Tätigkeit an sich zu ziehen. Tierarzthelferinnen, später als Tiermedizinische Fachangestellte (TFA) bezeichnet, machten „niedere“ Assistenz- und Hilfsarbeiten, basta! Diese Zeiten sind, auch Dank der sehr verbesserten Ausbildungsqualität, lange vorbei!

Denn viele Praxisbetreibende stehen mittlerweile vor dem Problem, für z.B. Beratungsgespräche, Verbandwechsel oder die Entfernung von Zahnstein nicht mehr genügend Personal mit tierärztlicher Approbation zu finden. Also müssen Lösungen gefunden werden, die das nicht- tierärztliche Personal stärker in die Verantwortung bringen, denn irgendwie müssen die Patienten ja versorgt werden. Aber: Darf man das einfach an eine TFA delegieren?

Mehrere Jahre lang wurde diese Frage immer wieder in der Arbeitsgemeinschaft zur Anerkennung der Fort- und Weiterbildung für TFA (kurz: AG TFA) diskutiert. Denn inzwischen gibt es eine Flut von Fortbildungsangeboten für verschiedenste Tätigkeitsgebiete, die die Kompetenzen und Fertigkeiten vieler TFA erheblich verbessern. Klar, gemäß Tarifvertrag steht den Fortgebildeten auch deutlich mehr Gehalt zu, wenn dies vorher abgesprochen wurde, aber noch mal: Dürfen die das denn nun eigentlich tatsächlich auch machen?

Als Richtschnur wurde daher Anfang des Jahres der so genannte Delegationsrahmenplan veröffentlicht. Er enthält Beispiele von Tätigkeiten, die unter Aufsicht und mit körperlich in der Nähe befindlichen Tierärzten durchaus von einer weiterqualifizierten TFA , manchmal auch von anderen Berufsgruppen, zu bewerkstelligen wären.

Oberstes Gebot: Leistungen, die rechtlich Tierärzten vorbehalten sind (z.B. durch Tierschutzgesetz §§ 5+6), dürfen nach Ansicht der AG TFA weiterhin nicht delegiert werden. Wie eben die eingehende Anamnese, die Untersuchung des Patienten einschließlich invasiver diagnostischer Leistungen, die endgültige Diagnosestellung, Erstellung einer Indikation, der Therapieplan sowie die Durchführung invasiver Therapien und operativer Eingriffe. Da bleibt aber ja noch jede Menge tiermedizinische Arbeit übrig!

Muss z.B. immer jemand mit abgeschlossenem Studium als Brandschutz-, Hygiene- oder Sicherheitsbeauftragter einer größeren Einheit fungieren? Mit entsprechender Weiterbildung kann das doch auch eine TFA, eine MFA, eine ZFA oder sogar jemand Berufsfremdes. Einen Verband wechseln? Eine Injektion geben? Krallen schneiden? Analdrüsen entleeren oder Ohren putzen? Ja das wird schon häufig gelebt, im Delegationsrahmen ist nun erstmalig schriftlich festgehalten, dass niemand gegen das Tierschutzgesetz verstößt, der seine TFA damit beauftragt.

Einziger Schönheitsfehler bisher: Die intensive Weiterbildung führte lange Zeit nicht zu einer speziellen Fachbezeichnung. Seit mehreren Jahren sieht der Leitfaden der AG TFA daher die Sichtbarmachung der Kompetenzen durch die Vergabe eines speziellen Zertifikats für die so genannte „Zusatzqualifikation“ (ZQ) vor. Diese kann eine TFA erwerben, wenn sie, gesammelt über eine nicht näher bestimmte Zeit, insgesamt 100 AG TFA- Stunden Fortbildung zu einem einzigen Tätigkeitsfeld nachweist und 70% der Prüfungsfragen richtig beantwortet hat. Bisher gibt es die ZQ  Praxismanagement, Anästhesie- bzw. OP- Assistenz, Ernährungsberatung, Zahnassistenz und Tierphysiotherapie. Höchstqualifizierte Mitarbeitende für den jeweiligen Bereich!

Derart wertvolle Kräfte haben nicht nur Anrecht auf ein höheres Gehalt, sondern auch auf stärkere Wertschätzung ihrer Tätigkeit. Und als unschätzbar wichtige Entlastung für die immer weniger werdenden tierärztlichen Mitarbeitenden werden sie schnell unersetzlich! Damit die Zusatzqualifikation immer auf dem neuesten Stand bleibt, besteht nunmehr sogar eine Fortbildungsverpflichtung für das jeweilige Fachgebiet von 30 weiteren Stunden innerhalb von drei Jahren!

Die Anbieter und den Delegationsrahmenplan findet man auf den Homepages der Tarifpartner, beim bpt unter „bpt für Sie -> für Praxisinhaber -> Tiermedizinische Fachangestellte“ als Menüpunkte. Auf dieser Seite gibt es auch eine stets aktualisierte Liste der durch die AG TFA anerkannten Fortbildungen. Wurde im Antrag vermerkt, dass auch eine Zusatzqualifikation bedient wird, sind zusätzliche Fragen zur Wissensüberprüfung eingereicht worden. Diese Fortbildungen sind in der Liste mit dick rotem „ZQ“ markiert, um sie leichter zu finden.

Was gibt es noch? In Zusammenarbeit von bpt, TPM (Bundesverband Tiermedizinisches Praxismanagement) und der Firma Vetkom mündet seit einigen Jahren an der Hochschule Neu Ulm ein einsemestriges, berufsbegleitendes Bildungsprogramm in ein Zertifikat, das seinem Träger „Management der Tierarztpraxis/-klinik“ bescheinigt. Dieses Kurzstudium in Hybridform können alle Personen absolvieren, die mindestens ein Jahr in einer Tierarztpraxis tätig waren oder eine tierärztliche Approbation besitzen. Qualifizierte Praxisführung mit fundiertem Wissen!

Fazit: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für nicht-tierärztliche Mitarbeitende, sich zu qualifizieren und die neuen Kompetenzen nutz- und gewinnbringend in der Praxis oder Klinik einzusetzen. Ideen dazu liefert der Delegationsrahmenplan mit seinen Empfehlungen. Schauen Sie doch mal rein! Vielleicht gibt es ja auch bei Ihnen, wie schon in einigen Praxen, bald eine eigene Sprechstunde, in der Sie Ihre TFA eigenverantwortlich, aber in enger Anbindung an Sie, hochgeschätzt und gut bezahlt entlastet? Man muss nicht mehr alles selber machen! Schon gar nicht in Zeiten des akuten Tierärztemangels!

Dr. Petra Sindern
1. Vizepräsidentin bpt Stellvertreterin des Präsidenten | + posts