Landesverband praktizierender Tierärztinnen und Tierärzte Niedersachsen und Bremen e.V.

Niemand hat Zweifel, dass wir Antibiotika bei bakteriellen Infektionen zur Anwendung bringen müssen. Unter dem Aspekt der Minimierung sehe ich in der Praxis jedoch noch einige Stellen, wo wir risikoarm darauf verzichten können.

Als Beispiel sei die Kastration eines Katers in der tierärztlichen Praxis genannt. Der Umfang des Eingriffes und die damit verbundenen Infektionsrisiken erlauben es, auf das Antibiotikum zu verzichten. Ebenso kann man bei kleineren Verletzungen darauf verzichten. Ein NSAID wird ohnehin verwendet.

Bei Fohlen sollten die Zeiten der Antibiose bei der Neugeborenenprophylaxe längst vorbei sein. Pferde mit equinem Asthma wurden auch viele Jahre antibiotisch begleitet, ohne dass es sinnvoll war.

Ein weiteres Beispiel ist das selektive Trockenstellen in der Milchviehhaltung. Hier verwenden wir oft noch flächendeckend ein lokales Antibiotikum bei klinisch unauffälliger Milch. Die bakteriologische Untersuchung deckt nur bei wenigen Fällen eine bakterielle Besiedlung auf. Wir Rinderpraktiker stellen uns heute die Frage: „Welche Tiere kann ich ohne einen antibiotischen Trockensteller trockenstellen?“. Ein interner Zitzenversiegeler gilt ohnehin als Standard. Für das selektives Trockenstellen haben wir Empfehlungen, die das Risiko einer Mastitis in der Trockenstehphase minimieren sollen (Herdenzellzahl, Neuinfektionsrate und Ausheilungsrate in der Trockenstehphase, Mastitis oder Zellzahlerhöhung der Kuh in den letzten drei Monaten, bakteriologische Untersuchung vor dem Trockenstellen, Schalmtest …). Der personelle Aufwand dafür ist hoch.

Ich erwarte von unserem Berufsstand, dass wir selbstkritisch jeden unnötigen antibiotischen Einsatz prüfen. In ökologisch arbeitenden Betrieben entfällt die Möglichkeit der Antibiose zum Trockenstellen meistens. In der Trockenstehphase gibt es wenig Unterschiede zwischen konventioneller und ökologischer Haltung. Jeder Tierhalter steht vor der Herausforderung, den Tieren genügend Platz, Licht und eine saubere trockene Liegefläche zu bieten. Eine visuelle Trockensteherkontrolle ist sinnvoll. Wer unter seinen Bedingungen ohne Antibiose nicht zurechtkommt, der verwendet die Antibiotika, um Hygienemängel zu kompensieren.

Meine Erfahrungen in vielen Großbetrieben, in denen wir auf das Antibiotikum zum Trockenstellen gänzlich verzichtet haben, sind durchweg gut. Uns muss allen klar sein, dass eine Beibehaltung aller Kennzahlen nicht immer realistisch ist. Oft haben sich die Ausheilungsraten und die Neuinfektionsraten um 10% verschlechtert. Das können wir in Kauf nehmen. Gleichzeitig wird uns dabei immer wieder die Notwendigkeit guter Haltungsbedingungen für die Trockensteher vor Augen gehalten.

Der Vergleich zur Schweinehaltung sei hier erlaubt, wo wir seit einigen Jahren auf die Einstallungsmetaphylaxe verzichten. Auch hier haben wir flächendeckend über Jahrzehnte alle Schweine, die in die Mast eingestallt worden sind, über mehrere Tage oral mit Antibiotika mediziniert. Wenn wir heute darauf verzichten wollen/müssen, dann sind auch hier einige Todesfälle (geschätzt ca. 0,5%) in den ersten 14 Masttagen in Kauf zu nehmen.

Bad Liebenwerda, 08.05.2023                                                                                                Dr. Michael Kreher

Dr. Michael Kreher
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