Das EU-Parlament hat am 24. November 2023 eine Entschließung gefasst, um die Haltung von wild lebenden und exotischen Tieren als Haustiere über eine sogenannte „Positivliste“ zu regulieren. Das würde bedeuten, dass nur noch die Tierarten gehalten werden dürften, die auf einer solchen Positivliste aufgeführt sind. In Deutschland haben wir bisher eine Negativ-Liste, auf der diejenigen wild lebenden oder exotischen Tiere aufgeführt sind, deren Haltung verboten ist. Die meisten EU-Staaten handhaben es auch so, in den Benelux-Staaten, Frankreich, Slowenien, Kroatien, Litauen und Norwegen (letzteres nicht-EU) gibt es hingegen bereits Positiv-Listen. In einigen Ländern, wie z.B. Spanien, wird die Einführung der Positivliste diskutiert; in Spanien soll daraufhin angeblich sogar die Haltung von Kaninchen und Meerschweinchen verboten werden, die als wild lebendes (Kaninchen) und exotisches (Meerschweinchen) Tier eingestuft werden.
Hierzulande haben sich verschiedene NGOs, v.a. Tierschutz-Organisationen, stark für die Einführung einer Positivliste eingesetzt, während sich Verbände wie der ZZF oder der BNA schon immer vehement dagegen aussprechen. Auch wenn die Entschließung des EU-Parlaments noch nicht bedeutet, dass die Positivliste tatsächlich kommt, so ist sie doch ein deutliches Signal an die EU-Kommission. Bei uns in Deutschland spricht sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ausdrücklich für die Einführung der Positivliste aus. Die Tierärzteschaft sollte sich daher auf mögliche anstehende Veränderungen einstellen und auch Stellung beziehen.
Der Vorstand der Fachgruppe Kleintierpraxis im bpt (FGK) hat daraufhin die folgende Stellungnahme verfasst:
Stellungnahme der FGK zur Forderung nach einer „Positivliste“
Die Fachgruppe Kleintierpraxis im bpt (FGK) begrüßt alle Bemühungen, den Tierschutz, den Artenschutz und den Schutz des Menschen vor Zoonosen zu fördern. Eine Positivliste, die Tierarten aufführt, die als für die Haltung als Heimtiere geeignet angesehen werden, schießt jedoch über das Ziel hinaus. Daher lehnen wir die Erstellung einer Liste von ausschließlich zur Haltung in Menschenhand erlaubten Tieren entschieden ab!
Unserer Meinung nach reichen die vorhandenen Negativ-Listen aus, denn die Haltung bzw. der Import zahlreicher exotischer Tierarten ist ohnehin schon gesetzlich reguliert.
Die EXOPET-Studie des BMEL zur „Haltung exotischer Tiere und Wildtiere in Privathand“ (2018) hat allerdings noch einen anderen Handlungsbedarf auf diesem Gebiet deutlich aufgezeigt. Um das Ziel der „artgerechten Haltung und Tierschutz“ aller als Heimtiere gehaltenen Tiere zu erreichen, müsste eher eine Regulierung der Halter der gehaltenen Arten erfolgen. Statt einer Positivliste empfehlen wir daher die Beibehaltung der bisherigen Negativlisten, kombiniert mit wichtigen Maßnahmen:
- Handelsverbote von Wildtieren über gewerbliche Tierbörsen, über Online-Portale und ein komplettes Verbot des postalischen Versands
- Eindeutig nachzuverfolgende Herkunftsnachweise und Kennzeichnungspflicht für alle Tierarten
- Importverbot für Wildfänge
- Verpflichtende Sachkunde-Nachweise für Tierhalter aller Tierarten
Die tägliche Erfahrung der praktizierenden Tierärztinnen und Tierärzte in Deutschland zeigt nämlich, wie groß der Handlungsbedarf bei allen Haustierarten ist. Auch vermeintlich leicht in Privathaltung zu haltende Arten wie Kaninchen oder Meerschweinchen müssen im Außenstall oder Kinderzimmer oft unter Bedingungen leben, die sie krank machen und sie leiden lassen. Der Aufwand für Ernährung und artgerechte Haltung gerade dieser Tiere wird von den meist unbedarften Haltern völlig unterschätzt. Das gilt analog für andere Kleinnager und auch für Ziervögel.
Auch bei der Haltung von Hunden und Katzen zeigt die tägliche Praxis die Auswirkungen von Verhaltensstörungen, die durch Unwissenheit der Halter und Unterschätzen des Aufwandes für die Pflege der Tiere entstehen. Bei Katzen sind dies z.B. Verhaltensstörungen durch soziale Deprivation in Einzelhaltung, bei langer Abwesenheit der Besitzer. Bei Hunden treten gehäuft Verhaltensstörungen durch Unkenntnis der Tierhalter über die Bedürfnisse bestimmter Rassen und über artgerechte Hundehaltung im Allgemeinen auf. Diese münden immer öfter in Überforderung der Halter mit Weggabe in ein Tierheim. Schlimmstenfalls kommt es wegen der immensen Wissenslücken der Halter zu Beißvorfällen bei Besitzern oder Unbeteiligten. Ein weiterer Grund für die zunehmende Überfüllung der Tierheime!
Wir empfehlen daher nachdrücklich, statt einer unwirksamen Positivliste die zielführendere Verpflichtung von Tierhaltern: Nämlich Sachkundenachweise nicht nur für exotische Tiere, sondern für die Haltung aller Haus- und Heimtiere einzufordern. In Kombination mit den oben genannten Handelsbeschränkungen für exotische Wildtiere wäre dem Tierschutz damit nach unserer Einschätzung sehr viel besser gedient.
Dr. Stefanie Schmidtke, FGK-Vorsitzende