„Der der Wellensittich fällt von der Stange.“, „Mein Papagei rupft sich die Federn aus.“, „Meine Taube fliegt zu langsam.“, „Mein Huhn hat Legenot.“ oder „Meine Gans kann nicht mehr laufen.“
So oder so ähnlich hören sich zahlreiche Vorberichte am Telefon an, wenn Geflügelbesitzer Rat und Hilfe suchen.
Die Zahl der Hobby-Halter ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen und damit auch der Bedarf an medizinischer Versorgung und Know-how für Vögel aller Art.
Da unsere gefiederten Freunde leider erst sehr spät Symptome einer Erkrankung zeigen, muss meistens auch sofort gehandelt werden, um Schlimmeres zu verhindern.
Eine eigene Geflügelsprechstunde bietet hierfür den geeigneten Raum und Rahmen, denn natürlich findet es nicht jeder Vogel unbedingt gut, neben Hunden und Katzen im Wartezimmer zu sitzen.
Kotuntersuchungen, PCR-Tests, bakteriologische Untersuchungen, sowie in besonderen Fällen auch Blutuntersuchungen gehören zu den Standards einer Fachtierarztpraxis. Eine Tupferprobenentnahme aus der Trachea sorgt seit der Pandemie speziell bei zusehenden Kindern für Belustigung, weil „das Huhn jetzt einen Corona-Test bekommt“. Auf diesen Weg fallen bei den Hennen von Hobbyhaltern hauptsächlich Atemwegserreger wie Coryza contagiosa auf, eine bakterielle, gut behandelbare, Erkrankung. Auch Röntgenbilder geben häufig die gewünschte Auskunft über den Zustand des Patienten.
Handelt es sich dann um eine vergleichsweise harmlose Erkrankung, welche gut in den Griff zu kriegen ist, ist die Erleichterung auf allen Seiten groß und der gefiederte Freund schnell wieder auf den Beinen.
Jedoch gibt es auch sehr ernste Erkrankungen wie die Kokzidiose, die Salmonellen der Taube, die Geflügelpest (anzeigepflichtig), die Newcastle-Krankheit (anzeigepflichtig), die Infektiöse Laryngotracheitis (ILT, meldepflichtig) und die Marek Krankheit (meldepflichtig).
Während es gegen die Geflügelgrippe ein Impfverbot in Europa gibt, ist die Impfung gegen die Newcastle-Krankheit schon lange für jeden Halter und Züchter Pflicht, egal ob es sich um ein Gewerbe oder ein Hobby handelt. Das wird bei Hobbyhaltern gern verwechselt, sie erbitten immer die Impfung gegen Grippe.
Nehmen die Hühnervögel an Ausstellungen teil, sind auch die Impfungen gegen die infektiöse Bronchitis und die ILT, ebenfalls sehr zu empfehlen (beides als Lebendimpfstoff erhältlich).
Die Impfungen gegen Kokzidiose und Marek hingegen sind für alle Geflügelhalter äußerst empfehlenswert, da es sich hier um hochansteckende Krankheiten mit hoher Mortalitätsrate handelt.
Die Kokzidiose ist eine parasitäre Erkrankung und führt zu wässrig-schleimigen bis blutigen Durchfällen. Die Sterblichkeitsrate liegt je nach Form und Ausprägung bei 30-80 Prozent.
Die Impfstoffe gegen Kokzidiose und Newcastle können ganz einfach über das Trinkwasser verabreicht werden, wobei bei der Kokzidiose eine einmalige Gabe ausreicht, um lebenslange Immunität zu erreichen, der Impfstoff gegen Newcastle hingegen alle 6 Wochen verabreicht werden muss (neue Rechtslage).
Bei der Marekschen-Krankheit, die auch als Geflügellähmung bezeichnet wird, handelt es sich um ein Herpes-Virus, welches hauptsächlich Jungtiere befällt. Ab der 13. Lebenswoche sinkt die Morbidität deutlich. Tiere nach der ersten Legeperiode können auch gänzlich symptomfrei bleiben.
Die Infektion erfolgt über die Atemwege, die Inkubationszeit beträgt 20 bis 160 Tage.
Nach der Primärbesiedlung in der Lunge kommt es zu einer Ausschwemmung in das Blut und zur Besiedlung der lymphatischen Organe. In der Bursa Fabricii kommt es zu einem Schwund der Lymphfollikel, im Thymus zu einem Schwund des Cortex.
Im weiteren Verlauf werden etwa 10 Tage nach der Infektion über eine zellassoziierte zweite Virämie die Federfollikel, Nerven, Iris und Eingeweide besiedelt und es kommt zur Bildung von knotigen T-Lymphozyten-Ansammlungen (Lymphomatose). Das Ausmaß der Erkrankung wird auch vom Immunstatus und vorangegangenen Infektionen bestimmt. Hatte das Tier vorher Kontakt zu schwach-virulenten Stämmen unterbleibt zumeist die Bildung der Lymphome.
Die Mareksche-Krankheit ist in ihrer Ausprägung sehr variabel.
Bei der klassischen Form sind hauptsächlich die Nerven befallen, wodurch es zu Lähmungserscheinungen und dem so genannten „Hürdenläufer-Syndrom“ kommt, wobei die Beine vom Körper weg gestreckt werden.
Hier sind meist Tiere zwischen der 12. und 16. Lebenswoche betroffen, wovon durchschnittlich 10% verenden.
Von der akuten Form sind meist Küken bis zur 8. Lebenswoche betroffen. Sie zeigt sich in Hauterhebungen, die zu einer rauen Haut führen, sowie Lymphomen in den Eingeweiden. Die Tiere magern ab und verenden, weil in den inneren Organen wie Leber, Milz oder Lunge krebsartige Zellwucherungen entstanden sind. Hierbei liegt die Mortalitätsrate bei 50%.
Ist ein Tier einmal infiziert, scheidet es die Erreger lebenslänglich über Kot, Speichel und Federn aus.
Eine Therapie ist nicht möglich, weswegen sich die Bekämpfung auf die Vorbeugung konzentriert. (Labornachweis über PCR an der TiHo möglich ).
Die Impfung gegen die Marek-Krankheit bietet zuverlässigen Schutz gegen die Symptome, nicht jedoch gegen die Infektion.
Sie ist ziemlich aufwändig, da es sich um sehr empfindlichen Lebendimpfstoff handelt.
Die Ampullen müssen absolut lückenlos in flüssigem Stickstoff aufbewahrt und transportiert werden. Hierfür ist es von Vorteil, wenn es sich um eine Gemischtpraxis mit Kontakten zu Besamern handelt, denn auf diesem Wege kann der Stickstoff unkompliziert bezogen werden. Um den Füllstand des Behälters zu prüfen, ist es empfehlenswert den Behälter regelmäßig (1x wöchentlich) zu wiegen.
Wird eine Ampulle benötigt, so muss diese nach der Entnahme aus dem Stickstoffbehälter unverzüglich innerhalb von zwei Minuten in einem genau temperierten Wasserbad aufgetaut und mit dem dazugehörigen, ebenfalls genau temperierten Lösungsmittel angemischt werden.
Der angemischte Impfstoff muss anschließend innerhalb von zwei Stunden verbraucht werden, wobei er in der Zwischenzeit immer wieder aufgeschüttelt bzw. gerührt werden muss.
Erhältlich ist der Impfstoff ab einer Packungsgröße von 1000 Dosen, weswegen es sich empfiehlt, spezielle Impftage für Eintagsküken einzurichten.
So können sich Züchter mit kleineren Beständen und Hobbyhalter auch unbekannterweise zusammenschließen und eine Packung teilen, wovon im Endeffekt alle Beteiligten profitieren.
Aufgrund der aufwändigen Lagerung ist die Marek-Impfung derzeit nicht so einfach zu erhalten, weswegen die Kunden teilweise sehr lange Anfahrtswege in Kauf nehmen müssen und dies auch tun.
Doch um die Bestände auf Dauer gesund zu erhalten, ist dies der einzige Weg, da die Krankheit über Hygienemaßnahmen nicht zu beherrschen ist.
Die Empfehlung zur Impfung kann nicht oft genug betont werden, da wir weiterhin zahlreiche Fälle von Marek vorgestellt bekommen.
Darum möchte ich hier kurz erläutern, wie ein solcher Impftag bei uns organisiert wird und abläuft:
Ab Februar, also vor Beginn der Zuchtsaison, legen wir fixe Termine fest, an welchen die Marek-Impfung stattfindet (alle zwei Wochen).
Dafür halten wir ein zweistündiges Zeitfenster frei, da der Impfstoff, ist er einmal angemischt, zwei Stunden haltbar ist.
Die Termine teilen wir sämtlichen Rassegeflügelvereinen mit und veröffentlichen diese auf den sozialen Medien.
Nun kann die Eieinlage der Züchter so erfolgen, dass der Schlupftermin am Impftag liegt.
Der Vorsitzende des Zuchtvereines, mit welchem wir hauptsächlich zusammen arbeiten, koordiniert die Termine innerhalb des Zeitfensters.
Am Tag vor dem Impftermin erhalten wir eine Liste, aus welcher die Namen der Züchter bzw. Besitzer ebenso hervorgehen, wie die Anzahl der zu erwartenden Küken und die gewünschten Impfungen, denn selbstverständlich können mehrere Impfungen am selben Tag erfolgen, wie zum Beispiel gegen IB und Kokzidiose.
Mit Hilfe dieser Liste können die Impfbescheinigungen im Vorfeld so weit vorbereitet werden, dass dann nur noch die tatsächliche Anzahl der Küken eingetragen werden muss.
Dies beschleunigt die Abläufe in der Praxis, um die kurze Haltbarkeit des Marek-Impfstoffes bestmöglich auszunutzen.
Treffen die Züchter dann ein, so stehen in unserem Geflügel-Sprechzimmer drei große Kartons bereit, welche von einer Rotlichtlampe gewärmt werden. So können die Küken im Fließband-Prinzip von einem Karton in den nächsten umgesetzt werden, um den Überblick zu behalten.
Die Tierärztin nimmt ein Küken, verabreicht eine Dosis der Marek-Impfung, setzt es in den nächsten Karton, wo es von einer Helferin aufgenommen wird, um zum Beispiel die IB-Impfung in Form von Augentropfen zu erhalten und in den letzten Karton gesetzt zu werden. Sind alle Küken im letzten Karton angekommen, kann man sicher sein, alle behandelt zu haben.
Eine weitere Helferin kümmert sich um die Abrechnung und händigt die in der Zwischenzeit fertiggestellten Impfbescheinigungen aus.
So kann am zügigsten und damit effektivsten gearbeitet werden.
Eine Liste der gegen Marek impfenden Praxen finden sie unter www.dbrg.de nach PLZ geordnet, sowie bei www.brieftaube.de, hier ist eine Liste in Arbeit mit allen Taubenimpfenden Tierärzten.
Weiterführende Literatur :
Rootbont: Poultry Signals, Layer Signals, Egg Signals
Enke: Leitsymptome bei Papageien und Sittichen
Schlütersche: Basisversorgung von Vogelpatienten