Burnout-Prävention, Stressmanagement, Mental Health, Resilienztraining. Die Angebote in diese Richtungen werden in unserer Branche immer vielfältiger. Das ist eine positive Entwicklung!
Noch im Jahr 2015 versuchte ich ein Seminar mit dem Namen „Stress lass nach!“ zu etablieren, in dem es um Stressvermeidung durch gutes Zeitmanagement ging. Aber das Interesse war gering und immer wieder musste das Seminar aufgrund fehlender Teilnehmer:innen abgesagt werden, bis es eingestellt wurde. Im Gegensatz zu damals nehmen sich inzwischen glücklicherweise immer mehr Tierärzt:innen und TFA die Zeit und den Raum, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Und das ist gut so. Denn hier geht es um mehr als Beine hochlegen oder eine Woche zusätzlichen Urlaub: Es geht um unsere langfristige Leistungsfähigkeit, unsere Gesundheit und unsere Motivation.
Wie aber kann ich Resilienz üben, wenn ich mich durch ein volles Wartezimmer kämpfen muss, der Dienstplan überfüllt ist und Notfälle auf mich einprasseln? Wie soll ich Stress reduzieren und mich um ein besseres Zeitmanagement kümmern, wenn mir die Leute fehlen, um den Tag zu schaffen?
Die gute Nachricht: Resilienz kann man häufiger üben als man auf den ersten Blick meint. Man muss nur wissen, wo man anfangen soll. Die „schlechte“ Nachricht: für größere Veränderungen muss man sich die notwendige Zeit nehmen. Und diese „Hürde“ ist für viele schwer zu überwinden. Denn in vielen Praxen und Kliniken wird noch immer das Credo gelebt: „Harte Arbeit zahlt sich aus“ und „Wir müssen allen gerecht werden“. Dass man da keine Zeit hat, sich Zeit zu nehmen, ist nachvollziehbar. Und irgendwie geht es ja doch. Stimmt. Wir halten ganz schön viel aus, wenn wir müssen. Aber muss das wirklich dauerhaft so sein? Und sammeln wir nicht auch irgendwo kleinere und größere Ausreden, weil uns die Veränderungsbereitschaft fehlt?
Leisten kann nur ein gesunder Körper.
Studien und Untersuchungen belegen, dass wir mehr für Tierärzt:innen und TFA (ergo: auch für uns selbst!) tun müssen, um Burn-Out, Depression oder einfach eine Job-Flucht zu verhindern. Dauerhaft Leisten kann nur ein gesunder Körper, egal in welchem Alter. Und ein gesunder Körper benötigt Ressourcen, um Energie zu tanken. Das war früher sicherlich einfacher als heute. Nicht einfacher in Form von weniger körperlich anstrengend, aber im Sinne von weniger geistig anstrengend. Denn die Gesellschaft und die Umwelt, in der wir leben haben sich verändert. Unsere „Antennen“ sind inzwischen dauerhaft auf „Empfang“ eingestellt: Die ständige Erreichbarkeit über das Handy, Umweltlärm, wirtschaftliche Krisen, immer größer werdende Teams, mehr Diskussionen und Rechthaberei, kaum Ausweichmöglichkeiten, schlechte Google-Bewertungen, ständige Präsenz auf Social Media, … – die Liste ist lang.
Macht man sich bewusst, was täglich auf uns einprasselt wird verständlich, dass man unter diesen Umständen viel schneller an seine (mentalen) Grenzen kommt. Anders wäre es, wenn abends um 18:00 Uhr der Supermarkt zu hat (Ruhe), man mit dem Rad 5km über Wiesen und Wälder zur Arbeit fährt (Bewegung an der frischen Luft), und sich am Wochenende zum Spaziergang, zum gemeinsamen Familien-Essen oder in der Kneipe verabredet (soziale Beziehungen). Wo sind unsere Ressourcen heutzutage, um den „Tank wieder aufzufüllen“? Die heutigen schnelllebigen Bedingungen fördern eine Dysbalance in uns selbst. Wir sind geistig eher erschöpft, aber nicht zwingend körperlich. Und dies kann zu großer Unzufriedenheit führen. Die kognitive Belastung erfordert Konzentration, Entscheidungsfindung und mentale Ressourcen. Dies kann zu einer emotionalen Erschöpfung führen: Wir fühlen uns leer, überfordert und unerfüllt, auch wenn der Körper ausgeruht ist.
Wenn wir hingegen körperlich erschöpft sind, hat das positive Auswirkungen auf unseren mentalen Zustand. Das liegt unter anderem an der Endorphinausschüttung bei körperlicher Aktivität. Die Entspannung, die wir danach fühlen, verbessert zudem die Schlafqualität. Dies alles kann dazu beitragen, auch geistige Spannungen abzubauen, was sich wiederum positiv auf unseren herausfordernden Alltag auswirkt.
Und da kommen wir an einen Punkt, an dem alle etwas tun könnten:
- Arbeitgebende könnten mehr für das Team tun, z.B. durch Verbesserung von Strukturen, Arbeitszeiten, oder individuellen Vereinbarungen.
- Arbeitnehmende könnten etwas tun, z.B. durch mehr Akzeptanz im Team, Zuverlässigkeit und eine bessere Kommunikation.
- Und jede und jeder könnte individuell etwas tun, nämlich eigene Ressourcen prüfen und nutzen, sowie stetig die persönliche Stressfestigkeit trainieren. Und ganz viel Sport machen! 😊
Resilienz als Weg verstehen.
Um den langfristigen Belastungen im Praxis- oder Klinikalltag standzuhalten, ist es wichtig zu erkennen, was uns Energie raubt und wie wir unsere Ressourcen auffüllen können. Je konkreter wir verstehen, was uns stresst und warum, sowie was uns erholt, desto gezielter können wir handeln. Geduld und Durchhaltevermögen sind dabei entscheidend. Resilienz bedeutet nicht nur, mit Haltung, Empathie und Optimismus auf Herausforderungen zu reagieren, sondern auch zu akzeptieren, dass manche Dinge außerhalb unserer Kontrolle liegen. Neben strukturellen Verbesserungen ist es ebenso wichtig, täglich an uns selbst zu arbeiten – sei es im Großen oder im Kleinen. Resilienz spielt nicht nur im Arbeitsleben, sondern auch im Alltag eine Rolle. Und das sollten wir nutzen.
Angebote wahrnehmen
Veränderungen passieren nicht über Nacht. Aber wenn ich Veränderung möchte, dann kann ich sie auch erwirken.
Mein Tipp: Angebote wahrnehmen und dranbleiben. Offen sein für’s Ausprobieren. Denn nur, wenn Sie Dinge probieren können Sie erfahren, ob sie helfen oder nicht. Außerdem: Nach der Theorie folgt die Praxis. Achten Sie darauf, dass Sie Möglichkeiten schaffen, zu üben und damit kleinere und größere Erfolgserlebnisse generieren. Ob Sie alleine üben oder mithilfe von praxisnahen Seminaren, Workshops oder einem Individual-Coaching, das bleibt am Ende Ihre persönliche Entscheidung.